Inventur: Zählen, Wiegen, Messen – der Tanz der Zahlen zum Jahresende

Regal

Sie sind Unternehmer und ermitteln Ihren Gewinn über eine Einnahmenüberschussrechnung? Dann können Sie den Artikel überspringen. Er hat für Sie keine Relevanz.

Als bilanzierender Unternehmer hingegen sind Sie einmal im Jahr zur Aufnahme der Inventur verpflichtet. Der ermittelte Bestand wird als Aktivposten in Ihrer Bilanz ausgewiesen.

Was ist eine Inventur? – der Grundtakt

Inventur bedeutet die mengenmäßige Bestandsaufnahme aller aktiven und aller passiven Wirtschaftsgüter Ihres Unternehmens. Dabei sind die einzelnen Wirtschaftsgüter zu bewerten.

So die offizielle Definition. In der Praxis werden bereits alle Wirtschaftsgüter bis auf den Warenbestand im Rahmen der Finanzbuchführung erfasst. Sie können Ihre Bestandsaufnahme auf den Warenbestand beschränken.

Wie funktioniert die Bestandsaufnahme der Waren? – die Schrittfolge

Die Erfassung Ihrer Waren hat durch körperliche Bestandsaufnahme zu erfolgen, also durch Messen, Zählen, Wiegen.

Dieser präzise „Tanz der Zahlen“ sollte idealerweise am Bilanzstichtag durchgeführt werden, in der Regel also am 31. Dezember, es sei denn, Sie haben ein abweichendes Wirtschaftsjahr. Unter „zeitnah“ versteht der Gesetzgeber in der Regel eine Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag.

Welche Inventurerleichterungen gibt es? – Tanzvariationen

Gruppenbewertung

Die Bewertung von gleichartigen Waren, die sich in der Lagerhaltung vermischen, ist einzeln nicht möglich. Hierzu zählen z.B. gleichartige Massengüter (z.B. Kies, Sand, Steine bei Baustoffhändlern oder Mehl bei Bäckereien) oder flüssige Waren (z.B. Chemikalien, Heizöl, Diesel). Insbesondere wenn die Einkaufspreise schwanken, ist eine Einzelbewertung nicht möglich. Daher dürfen Sie in diesen Fällen die Waren mit den durchschnittlichen Einkaufspreisen bewerten.

Verbrauchsfolgeverfahren

Diese Verfahren können Sie wie die Gruppenbewertung bei gleichartigen Waren anwenden. Nach dem Handelsrecht stehen Ihnen zwei Methoden zur Verfügung:

Fifo-Verfahren = first in – first out

Wie der Name schon verrät, wird hier davon ausgegangen, dass die jeweils ältesten Bestände zuerst verbraucht bzw. veräußert werden. Der Jahresbestand umfasst folglich die zeitlich letzten Zugänge und wird dementsprechend mit aktuellen Preisen angesetzt.

Lifo-Verfahren = last in – first out

Hier wird davon ausgegangen, dass die jeweils zuletzt erfolgten Zugänge zuerst wieder verbraucht bzw. veräußert werden. Der Jahresendbestand umfasst bei dieser Methode die zeitlich gesehen ältesten Preise und führt bei steigenden Preisen zu stillen Reserven.

Steuerrechtlich ist neben der Gruppenbewertung lediglich das Lifo-Verfahren zulässig. Aber auch für das Lifo-Verfahren gibt es Einschränkungen: Es ist nicht anwendbar bei leicht verderblichen Waren, Saisonbetrieben ohne Vorräte aus dem Vorjahr und bei Vorräten mit hohen Anschaffungskosten (z.B. Pkws eines Kfz-Händlers).

Permanente Inventur

Sie verfügen über ein Warenwirtschaftsprogramm, mit dem Sie jederzeit die Bestände ermitteln können, und Sie erfassen die Bestandsveränderungen in Ihrer Buchführung? Dann können Sie den buchmäßigen Bestand verwenden. Allerdings dürfen Sie nicht völlig auf die körperliche Bestandsaufnahme verzichten. Sie können aber den Zeitpunkt frei wählen.

Zeitverschobene Inventur

Sie dürfen für Ihre Inventur auch einen Stichtag wählen, der um bis zu drei Monate vor oder bis zu zwei Monate nach dem Bilanzstichtag liegt. Der Wert kann allerdings nicht in die Bilanz aufgenommen werden. Vielmehr müssen Sie den Bestand wertmäßig bis zum Bilanzstichtag fortschreiben oder zurückrechnen.

Können durch Schwund, Verdunsten, Verderb usw. unkontrollierbare Abgänge eintreten, sind weder eine permanente noch eine zeitverschobene Inventur zulässig.

Die fünf häufigsten Inventurirrtümer – Stolperfallen auf der Tanzfläche

  1. Inventurfehler können lediglich zu Hinzuschätzungen der Bestände führen

Eine nicht ordnungsgemäße Inventur führt dazu, dass Ihre ansonsten nicht zu beanstandende Buchführung komplett verworfen werden kann. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung müssen Sie dann mit der Schätzung des Jahresgewinns durch das Finanzamt rechnen.

Sind Sie aufgrund Ihrer Unternehmensgröße wirtschaftsprüfungspflichtig, so wird Ihr Wirtschaftsprüfer die Inventur genau unter die Lupe nehmen.

  • Die Inventurarbeiten müssen zum Stichtag 31. Dezember des Jahres erfolgen

Nein, wie bereits oben dargestellt können Sie den Stichtag verschieben.

  • Die Vorlage der Inventurliste als Ergebnis der Inventur genügt der Dokumentationspflicht

Nicht nur das Endprodukt der Inventur zählt. Auch Organisation, Durchführung und Kontrolle der Inventur sind zu protokollieren und zu dokumentieren.

  • Aufbewahrungspflichten bestehen nur für das Inventar

Nein, auch die Aufnahmebelege, Protokolle, Inventuranweisungen und Inventurkalender müssen Sie zehn Jahre aufbewahren.

  • Mitarbeiter aus der Buchhaltung und Lagerverwaltung sind für die Inventurarbeiten fachlich am besten geeignet

Das mag auf den ersten Blick das Einfachste sein. Um Manipulationen und eine zweifelhafte Selbstkontrolle zu vermeiden, empfiehlt es sich, dass das Aufnahmepersonal und Aufsichtspersonen nicht aus der Lagerverwaltung oder Buchhaltung rekrutiert werden.

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Die 5 W rund um die Inventur

Umfang Inventur

Wegen Inventur geschlossen

Dieses Schild liest man häufig am Jahresende, und auch wenn sie nicht gerade zu den beliebtesten Aufgaben gehört, ist die Inventur ein notwendiger und wichtiger Bestandteil der Kaufmannspflichten.

  1. Was ist eine Inventur?

Bei der Inventur handelt es sich um eine lückenlose, mengen- und wertmäßige Erfassung sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens. Bekannt ist insbesondere die körperliche Inventur, eine Art der Inventur, bei der Warenbestände und das Anlagevermögen gezählt bzw. gewogen, gemessen oder geschätzt werden. Das Ergebnis ist das sogenannte Inventar, das neben der Menge auch den Zustand jeder einzelnen Position enthält.

  1. Warum führt man eine Inventur durch?

Zunächst liegt es im eigenen Interesse, festzustellen, ob das Inventar mit den tatsächlich vorhandenen Beständen übereinstimmt. Treten beispielsweise regelmäßig Abweichungen auf, kann dies ein Indiz für eine unsaubere Bestandsführung oder für Schwund und Diebstahl sein.

Fehlbestände wirken sich weiterhin negativ auf betriebliche Prozesse aus und können beispielsweise zu Produktionsengpässen oder Lieferverzug führen. Daneben hilft die Bestandsaufnahme von Vermögensgegenständen, Schulden, Verbindlichkeiten und Forderungen Unternehmen dabei, ihre finanzielle Situation gut einschätzen zu können. Hierdurch können etwaige Fehlentwicklungen rechtzeitig aufgedeckt werden, weshalb eine Inventur auch als Frühwarnsystem gesehen werden kann.

  1. Wer muss eine Inventur durchführen?

Zur Durchführung einer Inventur sind nur „Kaufleute“ verpflichtet. Hierzu zählen Unternehmen, die unter die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches fallen und eine Bilanz sowie eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung aufstellen müssen.

Sowohl Freiberufler als auch sämtliche Unternehmer, die ihre Gewinne anhand einer Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, müssen von Gesetzes wegen keine Inventur vornehmen.

  1. Wann wird eine Inventur durchgeführt?

Die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung einer Inventur besteht zu folgenden Zeitpunkten:

  • Gründung eines Unternehmens
  • Übernahme eines Unternehmens
  • bei Betriebsaufgabe oder Veräußerung eines Unternehmens
  • zum Ende eines jeden Geschäftsjahres

5. Wie wird die Inventur durchgeführt?

  • Die Bewertung von fertigen und unfertigen Erzeugnissen muss anhand der Herstellungskosten erfolgen. Wie die Herstellungskosten und der Fertigstellungsgrad ermittelt wurden, muss aus den Inventurunterlagen hervorgehen.
  • Auch Hilfs- und Betriebsstoffe sind Bestandteil einer Inventur. Gegenstände wie Heizöl, Verpackungsmaterial oder Benzin müssen einzeln erfasst werden, sofern ihr Wert erheblich ist.
  • Haben Sie Kommissionsware erhalten, ist diese nicht im Bestand zu führen, da sie nicht Eigentum Ihres Unternehmens ist. Anders sieht es aus, wenn Sie selbst Kommissionswaren hingegeben haben. Dann sind sie in die Inventur aufzunehmen oder mittels Bestandsnachweis des Kommissionärs nachzuweisen.
  • Auch Waren mit geringem oder keinem Wert sind aufzunehmen. Bei der Bewertung wird ein Abschlag von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgenommen, oder es wird der Wert „null“ herangezogen.
  • Ist bestellte Ware zu Ihnen unterwegs, so ist sie auch Bestandteil der Inventur. Haben Sie beispielsweise für eine Ware bereits die Rechnung erhalten und verbucht, muss eine Erfassung im Bestand erfolgen, auch wenn die Ware körperlich noch gar nicht eingetroffen ist. Haben Sie eine Ware verkauft, den Erlös erfasst, aber noch keine Zahlung erhalten, darf die Ware bei der Inventur nicht mehr berücksichtigt werden.
  • Das Bestandsverzeichnis muss auch sämtliche beweglichen Gegenstände des Anlagevermögens enthalten. Hierunter fallen zum Beispiel Fahrzeuge, Maschinen oder die Geschäftsausstattung.

Eine körperliche Bestandsaufnahme ist nicht erforderlich, wenn ein Anlagenverzeichnis mit sämtlichen Zu- und Abgängen geführt wird. Geringwertige Wirtschaftsgüter sollen in einem separaten Verzeichnis geführt werden und zählen nicht zum Bestand. Leasinggegenstände sind hingegen Bestandteil des Anlagenverzeichnisses, sofern sie dem Leasingnehmer zuzurechnen sind.

Das Anlagenverzeichnis muss für jeden Gegenstand enthalten:

  • Bezeichnung
  • Bilanzwert zum Bilanzstichtag
  • Anschaffungs- oder Herstellungsdatum
  • Nutzungsdauer
  • jährlicher Abschreibungsbetrag
  • Datum des Zugangs bzw. Abgangs

Forderungen, Verbindlichkeiten und immaterielle Vermögensgegenstände können nicht durch körperliche Bestandsaufnahme (Zählen, Wiegen oder Messen) ermittelt werden. Sie müssen daher einer Buchinventur unterzogen werden. Dies bedeutet, dass ein Nachweis durch geeignete Dokumente erfolgen muss.